Gersfeld – Kreuzberg – Bad Bocklet
Es war dann ein Jägerschnitzel mit Ofenkartoffeln. Und zwar ein riesiges Jägerschnitzel respektive zwei: ein mittleres und ein grosses. Man serviert in der Sonne in Gersfeld gerne grosse Portionen, und die Bierzubereitung ist ein anspruchsvolles Geschäft.
In der Nacht hat‘s geregnet, und der Morgen ist kühl – etwa 12 Grad, eine gute Temperatur um loszulegen. Allerdings ist mir im Hotel noch eine sehr hübsche Kundeninformation aufgefallen:

Ich habe mir eine lange Etappe mit (für die Rhön) grossem Höhenunterschied vorgenommen und gehe um Viertel nach Acht los.
In Oberweissenbrunn steht wieder eine besonders hässliche Kirche. Wieso nur?

Schneller als gedacht komme ich auf den Zugang auf den Kreuzberg. Die Vielzahl der ausgeschilderten Wege ist etwas verwirrend: der Jakobsweg Fulda – Würzburg, der HSN-Main-Werra-Weg, der Hochrhöner, und dann sind noch nummerierte Wege ausgeschildert. Egal, Hauptsache hoch.

Was ich auf der Karte nicht mitgeschnitten haben: eine breite Strasse führt bis praktisch auf den Gipfel. Busse, PWs und Motorräder fahren bis zum Kloster Kreuzberg, von dort aus geht‘s einen Kreuzweg hoch zum platten Gipfel. Oben steht eine überlebensgrosse Golgotha-Installation, und etwas weiter hinten steht ein, hm, etwa 20 (?) Meter hohes Kreuz. Katholizismus rules.

Was ich wusste: der Kreuzberg ist einer höchsten Gipfel der Rhön. Was ich nicht wusste: er ist ausgesprochen gut besucht. Nach drei Tagen ohne Begegnungen auf den Wanderwegen bin ich gefühlt an der Bahnhofstrasse in Zürich. Am Samstagnachmittag. Was ich auch nicht wusste: jetzt bin ich in Bayern. Der Unterschied ist spürbar: die Leute grüssen nicht, bestenfalls kommt ein flachköpfiges Grunzen. Ganz allgemein habe ich das Gefühl, ziemlich gar nicht willkommen zu sein.
Trotzdem: nach dem steilen Abstieg im Wald öffnet sich dann die Sicht auf die Ebene. Das finde ich besonders schön. Wie auch die Frühlingswiesen.


Das erste bayerische Dorf heisst Waldberg und sieht komisch aus. Eine für mich sehr fremdartige Bauweise: Vorne sieht‘s nach einem kleinen Einfamilienhaus aus, dann wird‘s immer länger und hinten schliesst eine Scheune quer ab. An einem verregneten Donnerstagnachmittag im November, wenn ich nichts anderes zu tun habe, werde ich das mal recherchieren.

Etwas später, in Premich, bin ich dann an dieser ausgesprochen einladenden Bank vorbeigekommen. Die Welt wäre besser, wären alle Banken wie die Raiffeisenbank Premich i.R.

Zwischen Premich und Bad Bocklet bin im Wald unterwegs. Es ist herrlich. Die Bäume stehen ziemlich entspannt herum, lassen sich Wind zwischen die Blätter blasen und knarzen und knacken gelegentlich; vermutlich um irgendwelche Dominanzansprüche anzumelden. Sie sind zweifellos die Chefs.

Wind in Bäumen ist eines meiner Lieblingsgeräusche, vor allem Wind in Tannen. Und wenn dann die Sonne scheint und die trockenen Nadeln am Boden so riechen, wie sie halt riechen, dann fühle mich geborgen wie ein kleines Kind. Vermutlich eine, haha, frühkindliche Prägung. Ferien fanden in meiner Kindheit ausschliesslich in den Bergen statt (in meiner Jugend auch), und zwar meist in SAC-Clubhütten. Zum Beispiel in der Kammhaldenhütte, nahe der Schwägalp. Und dort gab‘s grosse Tannen um die Hütte, die schön gerauscht haben im Wind.
Daneben gibt‘s noch die Vögel, die das tun, was Vögel bei gutem Wetter tun: zwitschern, pfeifen, tirillieren unzoweiter. Das Wetter ist jetzt sonnig schön und leicht windig. Wirklich traumhaftes Wanderwetter. Wären da nicht die gelegentlich auftretenden Rotten von unvorteilhaft gekleideten Männer jenseits der Fünfzig, die auf ihren E-Mountain-Bikes durch die Wälder marodieren. Ist das E-Mountain-Bike die neue Rolex? Der Porsche-Ersatz kann‘s nicht sein, der steht in der Garage, da bin ich sicher.
Genug geschnödet. Nach acht Stunden bin ich im Domizil Karin angekommen. Alles so schön weiss hier.

Es gibt warmes Libella Cola Mix, dessen Koffein mir die notwendige Kraft für den Blogbeitrag gibt.

Hier noch ein Bild meiner Füsse. Die müssen jetzt auch mal explizit verdankt werden.

Morgen auf nach Poppenhausen! Und nachher erwarten mich die Mühen der Ebene, um es mit Brecht zu sagen (ich Wichtigtuer).
Danke dir, Bruder Beat, für die amüsanten Berichte. Fröhliches Wandern und viele spannenden Erlebnisse!