Samstag, 28. Mai 2022

Murrhardt – Welzheim

Der Weg beginnt schön: Da der Limesweg einen Bogen um Murrhardt macht, habe ich einen „eigenen“ gesucht, der sehr schön durch ein kleines Tal ansteigt.

Gemäss einer auf dem Bild nicht sichtbaren Informationstafel gibt es hier Wassergeister. Leider hat mich keiner oder keine begrüsst.

Auf dem Weg durch Murrhardt passiere ich die Römerstrasse (liegt auf der Hand), die Keltenstrasse (kommt jetzt nicht überraschend) und die Gallierstrasse (das hingegen schon). Und an einem Hag hängt dieses Schild:

Denke nur ich spontan an Laudanum, Kleinbonum und Babaorum?

Allerdings basiert meine Planung auf ganz kleinen, dünn und zum Teil sogar gestrichelt eingezeichneten Wegen. Der eine löst sich prompt auf, und ich stolpere durchs Unterholz und finde den Weg erst nach einigem Suchen wieder. Dann wird es aber sehr sonntagmorgenhübsch, auch wenn es erst Samstag ist.

Die Ebene von Käsbach und Vorderwestmurr (ehrlich, heisst so)

Dann passiert lange Zeit eigentlich nichts mehr bemerkenswertes; die Sonne scheint manchmal und manchmal nicht, der Weg ist geteert und manchmal nicht, es geht vorwärts und manchmal weniger. Unspektakuläres Vorwärtsgehen. Das gibt im Kopf Raum für tiefe und weniger tiefe Gedanken.
Einer davon ist die (von mir so empfundene) häufige Verwendung des Begriffs “Einordnung“ in den Medien. Früher haben Journalisten berichtet, dann haben sie recherchiert, dann haben sie hauptsächlich kommentiert, und heute “ordnen“ sie “ein“. Sie gehen also davon aus, dass es eine Ordnung gibt, in die sich alles, was geschieht, einpassen lässt. Zwangsläufig, erklärbar und natürlich von der höheren Warte aus erkennbar. Ich lesender Lurch, der im Sumpf sitzt und nichts von der Welt versteht, brauche die übergeordnete Sichtweise der Journalistinnen und Journalisten, um die Welt zu verstehen. Grande, tankehöfeli für diese Einschätzung.
(Ein anderes Wort, dessen Verwendung mich immer ansäuert, ist die freundliche Aufforderung von medizinischen Praxisassistentinnen: “Si töfed no im Wartzimmer Platz näh“. “Dürfen“ ist eine Erlaubnis, ich als Patient bin also ein zu Führender, wie Soldaten, Gefängniseinsitzende und Kinder, abhängig von der Gnade des oder der Entscheidungs- oder Weisungsberechtigten. Bäh.)

Gut. Zurück zum Wesentlichen.

Eigentlich passiert fast nichts mehr bis zum Schluss der heutigen Pensums. Zwischendurch komme ich am Fundament eines Wachtturms neben der gut befahrenen Strasse vorbei:

Kennen wir von gestern: Limes ist Strasse geworden

Dann passiert wieder einige (viele) Kilometer nichts mehr.
Aber dann kommt‘s knüppeldick:
Als erstes das Fundament des Kleinkastells „Rötelsee“:

Das Kleinkastell lag war offenbar eine Art vorgeschobener Posten der beiden Kastelle von Welzheim

Und es hat dazu eine Infotafel mit Illustration, Grundriss und, Achtung! jetzt kommt‘s, einer Zeichnung von kleinen römischen Männchen.

Komplett, mit Röckchen und Riemchensandaletten

Geht doch!

Eingangs Welzheim komme ich an einem Hundesalon vorbei. Die sind ja in der Namensgebung ähnlich kreativ wie Coiffeure (Haarmony, Haireinspaziert, Megafön, Kaiserschnitt etc.). So auch der lokale Vertreter dieser Zunft:

In Zeitschriften stand früher bei sich selbst erklärenden gezeichneten Witzen: Ohne Worte

Da das Hotel erst um Fünf öffnet, setze ich mich noch einen Moment auf den Dorfplatz und bestaune dieses städtebauliche Ensemble:

Naja, die Kreissparkasse Waibling (ganz links) hat sich mindestens in den Umrissen der Umgebung angepasst. In allem anderen hat sie sich für einen ganz eigenständigen Weg entschieden.

Die Form der Häuser hier in Schwaben erinnert mich an die Illustrationen in den Büchern von Otfried Preussler: der Räuber Hotzenplotz, der kleine Wassermann, die kleine Hexe, das kleine Gespenst etc. (was hatte der Mann eigentlich für einen Zwang mit “klein“?): die hohe, schmale Form, das Fachwerk, die steilen Dächer mit den spitzen Abschlüssen. Und die Fensterläden.

Immer wieder fallen mir diese besonders, hm, bemerkenswerten Zäune auf. Sie sind offenbar die legitimen Nachkommen des guten alten Jägerzauns.

Aaaaber, und das ist neu und innovativ, weil zwei Stäbe hintereinander liegen, kann einfach eine Plastikfolie eingezogen werden, und voilà, man hat nicht nur einen Schutz gegen Eindringlinge und Eindringlinnen, sondern auch für wenig Geld einen Sichtschutz. Das wird häufig so gemacht.

Das Zimmer im Hotel bietet einen besonders reichen visuellen Eindruck.

Die Kamera hatte kein LSD, ich schwör‘s. Die Farben sind so.

Nun gut, es ist für eine Nacht, und beim Schlafen hat man die Augen geschlossen. Morgen gibt‘s einen vierstündigen Spaziergang nach Lorch, und dann nehme ich den Zug nach Heidenheim an der Brenz. Von dort aus sollte Ulm in zwei bequemen Etappen erreichbar sein – und zwar auf Wegen und nicht auf Strassen.

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